Google übernimmt Apple von innen heraus… oder doch nicht?
Da ist mir doch gestern ein Artikel über den Bildschirm gehuscht, in dem darüber berichtet wurde, dass Apple bei IOS mittlerweile in hohem Maße auf Google angewiesen ist, weil alle möglichen Core-Komponenten von IOS wieder von Google zur Verfügung gestellt werden. Da wird der tolle Google Mail Client als Bespiel genannt, oder die neue Maps App, oder das neu implementierte YouTube.
Apple hat sich mit dem Ersetzen von Google Maps durch ein eigenes Produkt, und der Verbannung der, im höchstem Maße beliebten, und sehr gut integrierten, YouTube App sicher nichts gutes getan. Wer sein teuer Erspartes für eines der extrem hochpreisig angesetzten Apple Produkte investiert ist sicher nicht bereit, Kompromisse einzugehen. Man erwartet einfach, dass ein Produkt aus dem Hause Apple gebrauchstauglich funktioniert. Die sehr gut funktionierende Google-Maps App durch ein halb-fertiges Produkt der Marke Eigenbau zu ersetzen war aus meiner Sicht nicht klug, auch wenn mir persönlich die neue Maps-App recht gut gefällt, und diese bei mir auch großteils gute Dienste verrichtet.
Aus Sicht eines Menschen mit Sehbehinderung muss ich jedoch feststellen, dass die von Google angebotenen Applikationen in Hinblick auf die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen noch teils gravierende Mängel aufweisen, und somit kein adäquater Ersatz sein können.
- Der GMail Client ist mit VoiceOver derzeit fast nicht zu benutzen. Die Nachrichtenliste reagiert einmal, dann wieder nicht. Gebrauchstaugliches Arbeiten ist somit nicht möglich. So werden die Nachrichten vorgelesen, wenn man den gesamten Seiteninhalt Elemente für Element durch Rechts-Swipe durchgeht, nicht jedoch, wenn man mit dem Finger über den Bildschirm fährt, um ein bestimmtes Element auszuwählen.
- Google Currents ist der Inbegriff von Barriere-Unfreiheit, sowohl auf IOS wie auch auf Android. Mit Screen-Readern lässt sich diese Anwendung zu 95% nicht bedienen. Dies ist sehr schade, da Currents ansonsten ein sehr netter News-Reader wäre.
- Google Maps liegt derzeit nur als iPhone App vor, funktioniert aber auch am iPad sehr gut. Die Bedienung mit VoiceOver funktioniert überraschend gut. Auch hier tritt vereinzelt das aus GMail bekannte Phänomen auf, dass einzelne Buttons etc. nur dann ausgewählt werden können, wenn man alle Elemente sequenziell durchläuft, nicht jedoch, wenn man sie direkt auswählen möchte. Alles in allem jedoch bereits ein guter Ansatz.
- Als Lichtblick unter den Google IOS Apps in Hinblick auf die Gebrauchstauglichkeit für Menschen mit Behinderungen würde ich die neue YouTube App sehen, die dem Anschein nach durchgehende Nutzbarkeit mit VoiceOver erlaubt. Hier muss ich Google zu einer gelungenen Umsetzung gratulieren. Abgesehen von einigen unnötigen redundanten Textpassagen, die einem beim Durchgehen einer Videoliste teilweise den Nerv rauben, sind so ziemlich alle Aspekte der Anwendung mit VoiceOver nutzbar.
Google hat Apple gegenüber mit seinem offenen Ansatz den Vorteil, dass seine Anwendungen auf allen Plattformen laufen. Die Lernkurve bei einem Systemwechsel fällt für viele Nutzerinnen und Nutzer daher geringer aus, wenn sie sich auf Google-Anwendungen verlassen. Der Apple-Weg eines Glaspalastes, der nach aussen abgeschottet ist, und nur Anwendungen für sich selbst bereitstellt wird nur so lange funktionieren, solange Nutzerinnen und Nutzer mit jener Funktionalität zufrieden sind, die ihnen innerhalb des Glaspalastes zur Verfügung gestellt werden. Sobald diese Zufriedenheit nicht mehr gegeben ist, oder die Konkurrenz Produkte zur Verfügung stellt, die besser funktionieren, wird das Glashaus zusammenbrechen.
Ich persönlich habe mich mit iPad und MacBook derzeit für das Experiment Apple entschieden, da mir Apple momentan das für meine Gebrauchsmuster optimalere Gesamtkonzept bietet, würde jedoch keine Sekunde zögern, mich auf wieder für die Produkte eines anderen Herstellers zu entscheiden, wenn dieser mir eine optimalere Lösung bietet. Barrierefreiheit, lange Akku-Laufzeiten im mobilen Einsatz, sehr gute Bildschirme und ein rundum gelungenes flüssiges Feeling des User-Interface sind für mich die momentanen Argumente. Hätte Android in Hinblick auf Accessibility und Produktivität etwas mehr geboten, wäre ich vielleicht dort geblieben, aber das kann sich ja noch ändern.
Das schöne ist, ich bin Kunde, und kann darauf warten, was die Konkurrenz in der IT-Welt für Blüten hervorbringen wird.