Lenovo Thinkpad Tablet – Most bugs unfixed
Vor ca 2 Monaten brachte Lenovo sein erstes Android Tablet mit dem innovativen Namen Thinkpad Tablet heraus. Während die Hardware-Spezifikationen denen anderer aktueller Android Tablets gleichen (Nvidia Tegra2 Chipsatz, 1GHz Dualcore CPU etc.) bietet dieses Tab auch einen aktiven Digitizer zur Stifteingabe und ein optionales Tastatur-Folio.
Als langjähriger zufriedener Thinkpad X Tablet User war ich natürlich sehr erfreut über diese Nachricht. Endlich ein leichtes Tablet, mit dem ich, wie bisher gewohnt, in Sitzungen per Stift mitschreiben kann.
Nun habe ich mein Tablet seit einigen Wochen. und blicke mit gemischten Gefühlen darauf.
20 Stunden Ladezeit sind “normal”.
Eigentlich ist die Möglichkeit, das Gerät über MicroUSB laden zu können eine feine Sache. Von Smartphones erwarten wir uns das mittlerweile (auch dank EU Richtlinie), bei Tablets werden nach wie vor oft eigene Stromstecker verbaut. Wie sich hier nun zeigt mit Grund, da USB leider nicht genug Energie liefert, um das Gerät gleichzeitig zu laden und zu nutzen. Zumindest bei diesem Gerät nicht, kann auch sein, dass Lenovo hier gepfuscht hat. Dieser Umstand muss Lenovo jedoch bekannt gewesen sein. Jedes Produkt wird vor der Auslieferung doch getestet (möchte man meinen). Der aus meiner Sicht einzige Weg zur Behebung dieses Problems wäre, dass Lenovo allen KäuferInnen einen Adapter zum Laden über den Dock-Port nachliefert, der das Gerät in angemessener Zeit lädt. Mit der, für ca. 60€ zuätzlich zu kaufenden Docking-Station funktioniert das laden nämlich prima. Hier kommt der Strom eben nicht über den MicroUSB Port, sondern den Lenovo eigenen Dock-Port, über den das Gerät angesteckt wird. Die Aussage des Lenovo Support gegenüber eines Thinkpad Tablet Slate Forum Users war jedoch: 20 Stunden Ladezeit seien bei diesem Gerät “normal”. Wird das Gerät nicht genutzt, reduziert sich die Ladezeit auf “nur” ca. 4-5 Stunden.
Hardware OK, Software ist BETA.
Auf Hardware-Seite gibt es wenig zu bekritteln. Das Tablet ist zwar ein wenig dicker und schwerer als seine Mitbewerber aber sehr schön verarbeitet. MicroUSB Stecker und Power Knopf sollte man jedoch etwas vorsichtig behandeln, da in den Support-Foren einige Fälle dokumentiert sind, bei denen diese lose wurden. Nachdem auch mein N900 sich damals seines microUSB Steckers entledigt hatte, bin ich hier jedoch übervorsichtig.
Beim derzeitigen Software-Stand kann das Gerät niemanden empfohlen werden, der / die nicht EntwicklerIn ist, mit Bugs leben kann und sich bei Problemen zu helfen weis. Als business Gerät, wie in der Werbung gepriesen, ist das Gerät sicher nicht geeignet.
Anfänglich betrug die Boot-Zeit bis zu 5 Minuten. Die, im Vergleich zu anderen Tablets mit ähnlicher Ausstattung sehr langsame Reaktionszeit wäre ja noch zu ertragen, wenn es nicht immer zu Software-Abstürzen kommen würde. Egal ob Browser, Market oder Google Maps – mitten in der Arbeit steht ein Hinweis, dass es “uns” leid tut, aber das aktuelle Programm abgesemmelt ist. Bei meinem Galaxy S2 gibt es derartige Vorkommnisse nicht.
Nach dem letzten Update hatte sich Lenovo auch schon ins nächste Fettnäpfchen gesetzt. Das lang ersehnte Firmware-Update wurde vor eineinhalb Wochen zunächst in den USA ausgerollt. Leider mit dem Erfolg, dass einige Geräte nach dem Update nicht mehr funktionsfähig waren. Wie sich herausstellte wurde bei diesem Update auch die Akku Firmware erneuert. Hatte man während des Updates das Gerät nicht mit der Ooriginal USB Kabel angesteckt, hatte es nach dem Update nicht mehr genug Saft um zu starten, und das Gerät hatte blöderweise den Akku “vergessen”. Das sind Fehler, die einfach nicht passieren dürfen. Lenovo zog das Update dann vorübergehend auch aus dem Verkehr, bot kurz darauf jedoch eine abgespeckte Version an, die Reibungslos installiert werden konnte. Seit diesem Update ist die Boot-Zeit von vormals 5 Minuten auf 30 Sekunden gesunken. Die allgemeine Performance konnte ebenfalls um einiges gesteigert werden.
Vor dem Kauf wurde mir seitens eines ubook Vertreters versichert, dass es für das Thinkpad Tablet auf jeden Fall ein Update auf Android 4.0 geben wird. Bis heute hat sich Lenovo – im Gegensatz zu anderen Herstellern – hierzu nicht geäußert. Die Firmen-Richtlinien sind sogar derart, dass auf Diskussionen die im Lenovo-Eigenen User Forum defakto überhaupt nicht geantwortet wird. Lenovo argumentiert, dies sei ein User helfen User Forum. Ein ähnliches Vorgehen konnte ich seinerzeit bei Nokia in Zusammenhang mit dem N900 beobachten. Man hatte eine, sehr aktive, EntwicklerInnen-Gemeinde, die gewillt war mit dem Unternehmen an Projekten zu arbeiten, Beta-Versionen zu testen etc. Dies wurde jedoch in keiner Weise genutzt. Updates oder ein Release-Plan wurden nicht vorher bekannt gegeben, und die User im Dunkeln gelassen. Das N900 ist bekannter Weise kurz darauf “gestorben”.
Lenovo hat mit seiner Vorgehensweise einige seiner treuen Kunden sehr unmutig gestimmt. Viele werden sich zukünftig überlegen, Thinkpad Geräte zu kaufen. Dummerweise sind gerade IT EntscheidungsträgerInnen in diesem Forum zu finden, die in ihren Unternehmen für den Ankauf ganzer Geräte-Flotten verantwortlich sind.
Handballen-Erkennung mangelhaft
Wer, wie ich schon seit vielen Jahren, ein Thinkpad X Tablet sein eigen nennt weiß, wie toll der Vacom Stift dieser Geräte funktioniert. Sobald der Stift in die Nähe des Bildschirms kommt, wird die Touch-Funktion deaktiviert, und nur der Stift ist für die Eingabe zuständig. Man möchte meinen, dass Lenovo diese langjährige Erfahrung auch auf seine Android-Tablets übernimmt. Falsch gedacht. Angeblich sollte das Gerät ebenfalls über eine Handballen-Erkennung verfügen, diese Funktioniert jedoch nur in bestimmten Apps, und auch dort nur bedingt. Ich hoffe jedoch, dass auch dieses Problem Softwaremäßig gelöst werden können wird.
Das Tastatur-Folio
Nach nur 6-wöchiger Wartezeit ist nun auch das Tastatur-Folio eingetroffen. Im Gegensatz zum Tastatur-Dock des ASUS Transformer, dass mit eigenem Akku und zusätzlichen Anschlüssen daherkommt, ist das Lenovo-Folio eine wacklige Geschichte. Von aussen sieht es wie eine Leder-Aktenmappe aus. Klappt man es auf, kann auf der einen Seite das Tablet über den USB Port angesteckt werden. Hier haben Lenovo Produkt-Designer wirklich mitgedacht, denn der für das Tablet als Verkaufsschlager angepriesene echte USB Port ist damit verbaut. Man hätte ja auch in das Folie einen Hub einbauen können, und auf der Seite einen USB-Port anbringen, aber daran scheint man nicht gedacht zu haben, wäre ja eine Innovation sowas.
Einmal aufgestellt lässt sich mit dem Folie ober wirklich gut tippen. Hier kann man sich auf eine Thinkpad Tastatur freuen, wenn auch nicht ganz gleich der Qualität richtiger Thinkpad Tastaturen, so ist sie doch qualitativ in Ordnung. Der optische Trackpoint ist jedoch keine gelungene Innovation. Ja er funktioniert, und schön, man hat damit in das kleine Dock einen Mouse-Ersatz eingebaut, aber wie. Man stelle sich ein 2cm Touchpad vor – voilla. Nichts anderes ist dieser nämlich. Argumentiert wird diese Entscheidung Seitens Lenovo wegen des geringen Platzes. Ein echter Trackpoint wäre nämlich anscheinend zu hoch geworden. Meine meinung – nonsence. ICH WILL MEINEN ECHTEN TRACKPOINT! Beim Arbeiten resultiert das nun darin, dass ich den optischen Trackpoint so gut wie nie verwende, sondern lieber auf den Screen tippe. Nun gut, steckt man eben eine Maus dazu… Auchja, der USB-Port ist ja verbaut – *nirg*. Ich werde es einmal mit einer Bluetoth Maus versuchen. Akku-Mäßig fällt das Dock dank USB Anbindung nicht wirklich ins Gewicht.
Auf einer Fläche wie dem Schreibtisch, einem Küchentisch oder ein kleines Tischchen im Zug steht das Folio wunderbar. Die Magnethalterung sorgt für guten Halt des Tablets an der Tastatur. Nur wehe dem, der das Folie mit eingestecktem Tablet in eine Hand nehmen, und durch die Gegend wandern möchte, oder sich gar irgendwo in die Ecke setzen will und keine fixe Unterlage zur Verfügung steht. Hier war nämlich ebenfalls ein kreativer Lenovo-Designer am Werk. Der hintere Teil der Unterseite ist nämlich keine stabile Fläche, und biegt sich nach unten, wenn sie auf keinem festen Untergrund steht. Ist man unachtsam, kann es passieren, dass die Magneten der Tablet-Halterung nachgeben, und das Tablet Kopfüber nach unten hängt. Es sollte zwar nicht aus der Verankerung fallen, aber wenn es blöd kommt, könnte auch das passieren. Zwar sollte das Thinkpad Tablet einen Sturz aushalten – es gibt dazu ein nettes Stresstest-Video, doch ausprobieren möchte ich dies lieber nicht.
Fazit
Trotz all der Mängel möchte ich mein Tablet momentan nicht gegen ein anderes Gerät tauschen, da es prinzipiell all meine Anforderungen erfüllt. Abgesehen von ein paar Kleinigkeiten sind die meisten zur Zeit aufscheinenden Probleme Software-Technischer Natur. Ich hoffe, Lenovo wird hier noch gründlich nachbessern. Mit dem ersten Update, dass ich erleben durfte, wurden schon die lange Boot-Zeit, Performance und einige andere Kleinigkeiten massiv verbessert. Ich habe mir jedoch von Anfang an keine Illusionen gemacht, dass es meinen Thinkpad-Convertable auf Reisen vollständig ersetzen wird. Massiv entteuscht bin ich von Lenovo dahingehend, dass man ein halb-fertiges Gerät als BUSINESS Maschine auf den Markt geworfen hat, beim Design anscheinend alles über Board geworfen hat, was man von IBM mitbekommen hat, und die Kunden großteils nun im Regen stehen lässt. Würde das bald erscheinend ASUS Transformer Prime einen aktiven Digitizer sein eigen nennen, würde ich keine 10 Minuten nachdenken, wo meine nächste Investition landen wird. Nachdem Android 4.0 nun auch eine Unterstützung für Stifteingabe enthält, bin ich guter Hoffnung, dass uns im Laufe des nächsten Jahres noch einige derartige Geräte angeboten werden.